Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 15.05.2012, 18:16   #14
Dead_Cow
Smiley-Diktator
 
Benutzerbild von Dead_Cow
 
Registriert seit: 16.05.2009
Ort: Alpha Centauri
Beiträge: 2.210
Standard Vorratsdatenspeicherung: Vertragsverletzungsverfahren "künstlich hochgespielt"?

Vorratsdatenspeicherung: Vertragsverletzungsverfahren "künstlich hochgespielt"?


Deutschland droht ein Vertragsverletzungs-Verfahren
wegen der Nichtumsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.
Eine eventuelle Strafzahlung wird allerdings, wie die EU-Kommission kürzlich andeutete,
wahrscheinlich geringer ausfallen als bislang befürchtet.
Nun kritisieren Datenschützer, das Vertragsverletzungsverfahren sei von den Befürwortern "künstlich hochgespielt" worden.
Wie Reinhard Priebe, Leiter der Direktion "Innere Sicherheit" bei EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström,
kürzlich im Bundestags-Innenausschuss andeutete, wird die EU Deutschland wahrscheinlich
lediglich zur Zahlung eines Zwangsgeldes ab dem Tag des Urteils zu verpflichten.
Da es bis zum Urteil wahrscheinlich noch einige Monate dauern wird, ist dies gegenüber der Alternative
- einem Pauschalbetrag rückwirkend ab Inkrafttreten der nicht umgesetzen Richtlinie -
wohl ein für Deutschland deutlich kostengünstigerer Ausgang.
Somit scheinen die möglichen negativen Konsequenzen eines Vertragsverletzungs-Verfahrens
deutlich geringer zu sein, als dies teilweise der öffentlichen Diskussion zu entnehmen war.

Die Datenschutz-Aktivisten des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung erklären sogar,
das "Drohszenario" eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland
sei von den Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung "übertrieben" und "künstlich hochgespielt" worden.
Sie berufen sich bei dieser Einschätzung auf die Antwort
auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei "Die Linke".
Diese wurde den Datenschützern nach deren Aussage zugespielt.
"EU-weit sind rund 1590 Vertragsverletzungsverfahren anhängig.
Auf Deutschland entfallen 68 laufende Vertragsverletzungsverfahren,
davon 22 wegen fehlender oder mangelhafter Umsetzung von Richtlinien in deutsches Recht.
Trotz dieser zahlreichen, größtenteils langjährigen Rechtsstreitigkeiten
wurde noch nie eine Geldstrafe gegen die Bundesrepublik Deutschland verhängt," berichten die Aktivisten.
In den meisten dieser Fälle hätten die Beteiligten geschwiegen.
Einzig im Fall der Vorratsdatenspeicherung sei
"politischer Druck durch Teile der Bundesregierung und die EU-Kommission" ausgeübt worden.
Ute Elisabeth Gabelmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kritisiert diese Vorgehensweise:
"Es ist bedenklich, dass eine Richtlinie, die unbestritten zu massiven Grundrechtseingriffen führt,
mit viel politischem Druck durchgebracht werden soll, während die 67 anderen laufenden Verfahren ausgeblendet werden."

Die Aktivisten verweisen darauf, dass die Bundesregierung Anträge auf eine Ausnahmeregelung
bezüglich der Umsetzung in nationales Recht stellen kann.
Dies hatte der Arbeitskreis der Regierung bereits - ohne Erfolg - nahe gelegt.
"Die Bundesregierung hat bewusst die Entscheidung getroffen, dies im Falle der Vorratsdatenspeicherung zu unterlassen",
sagt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.
"Während dieses Werkzeug gegen die EU-Spielzeugrichtlinie angewendet wird,
lässt die Bundesregierung eine zweifellos grundrechtsschädigende Richtlinie unangetastet
- für Bürgerrechtler ist das ein Trauerspiel."

Die Entscheidung, ob ein Vertragsverletzungsverfahren tatsächlich eingeleitet werde und wie sich dieses entwickle,
sei im Wesentlichen Sache der EU-Kommission, betonen die Aktivisten.
"Es ist in erster Linie eine politische Entscheidung,
gegen wen und wann tatsächlich Strafzahlungen eingeleitet werden," so Steffens,
"Sowohl die EU-Kommission als auch Teile der Bundesregierung
treiben offenbar die Durchführung des Vertragsverletzungsverfahrens voran,
um ihre politischen Interessen durchzusetzen und die Vorratsdatenspeicherung einzuführen."

Der Arbeitskreis deutet sogar an, Deutschland könnte sich entscheiden, eine eventuelle Strafzahlung zu verweigern.
Da dies bislang noch nie vorgekommen sei, sei nicht abschließend juristisch geklärt,
was in einem solchen Fall passiere.
"Ein solcher Fall wäre richtungsweisend für das EU-Recht
und die Umsetzung grundrechtsproblematischer Richtlinien," erklären die Datenschützer.

Zudem wiederholt der Arbeitskreis seine bereits mehrfach geäußerte Einschätzung,
dass die Kosten für eine Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung
die Höhe einer Strafzahlung wahrscheinlich übersteigen würden.
Die Aktivisten berufen sich dabei auf eine Schätzung des Branchenverbandes eco,
der die Höhe der Kosten auf Basis der Erfahrungen der letzten Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung
auf rund 330 Millionen Euro schätzt.
"Die Bundesregierung kann nicht ausschließen,
dass diese Kosten auf die Kunden umgelegt werden," erklären die Datenschützer.
So könnten die Kosten für die für eine Vorratsdatenspeicherung nötige Infrastruktur
beispielsweise in Form höherer Telefon- und DSL-Tarife
an die Kunden der betroffenen Telekommunikations-Unternehmen weitergegeben werden.


Quelle
__________________

... reality.sys corrupted ... reboot universe ...

[Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. ]
Dead_Cow ist offline   Mit Zitat antworten
Folgender Benutzer sagt Danke zu Dead_Cow für den nützlichen Beitrag: